Zusammenfassung
Jährlich beantragen etwa 350.000 Menschen in Deutschland eine Erwerbsminderungs-Rente, jedoch wird nur etwa die Hälfte bewilligt. Ablehnungen erfolgen oft aufgrund unklarer Formulierungen in den Gutachten der Ärzte. Die Entscheidung für eine EM-Rente basiert auf individuellen Faktoren und nicht auf dem bisherigen Beruf oder der Tätigkeit. Eine volle EM-Rente wird gewährt, wenn man maximal 3 Stunden am Tag arbeiten kann, während eine Teil-EM-Rente für diejenigen gilt, die mehr als 3, aber weniger als 6 Stunden arbeiten können. Gerichtsurteile haben klargestellt, dass die Arbeitsfähigkeit 'unter 3 Stunden pro Tag' liegen muss, um eine volle EM-Rente zu erhalten. Sonderregeln gelten, wenn der Teilzeit-Arbeitsmarkt 'verschlossen' ist, in diesem Fall wird eine volle EM-Rente gezahlt. Aufgrund der hohen Ablehnungsrate von EM-Rentenanträgen wird empfohlen, bei Ablehnung Widerspruch einzulegen.
Etwa 350.000 Menschen in Deutschland beantragen jedes Jahr eine Erwerbsminderungs-Rente – aber nur etwa 165.000 Renten wurden zuletzt im Jahr bewilligt. Das heißt: jeder zweite Antrag wird abgelehnt.
Gerichte entscheiden über Details
Abgelehnt wird eine EM-Rente oft, weil in den Gutachten der eigenen Ärzte Details unklar formuliert sind. Denn: Anders als bei allen anderen Renten gilt bei EM-Renten nur ein grober allgemeiner Rahmen – entscheidend sind aber individuelle Dinge. Grundsätzlich möglich ist eine EM-Rente, wenn man wegen gesundheitlicher Probleme nicht mehr bzw. nicht mehr voll arbeiten kann. Dabei gilt:
- Wer nur noch maximal 3 Stunden am Tag arbeiten kann, erhält eine volle EM-Rente.
- Wer mehr als 3, aber weniger als 6 Stunden am Tag arbeiten kann, erhält eine Teil-EM-Rente.
Ganz wichtig dabei: Entscheidend ist nicht der bisherige Beruf oder die bisherige Tätigkeit, sondern ob man überhaupt noch in der Lage ist, irgendeine Tätigkeit auszuführen. Und alleine diese grundsätzlichen Dinge zeigen, wie individuell diese Entscheidung ist – und wie oft Betroffene dann vor Gericht gegen eine Ablehnung klagen.
Urteile, die jeder kennen sollte
Denn was heißt z.B. „maximal 3 Stunden Arbeitsfähigkeit pro Tag“? Das Sozialgericht Gelsenkirchen stellte z.B. fest, eine volle EM-Rente ist nur zu gewähren, wenn die Arbeitsfähigkeit „unter 3 Stunden pro Tag liegt“ (Az.: S 39 R 250/21). Stellen Gutachter fest, dass die Arbeitsfähigkeit „3 Stunden“ pro Tag beträgt, entfalle die Voraussetzung für eine volle EM-Rente. Im Gesetz (§ 43 SGB VI) sei von „mindestens 3 bzw. mindestens 6 Stunden täglicher Erwerbstätigkeit“ die Rede. Das Gericht lehnte so auch eine Teil-EM-Rente ab, bei der ein Mann über eine Arbeitsfähigkeit von 6 Stunden pro Tag verfügt (Az.: S 24 R 729/14).
Doch Anspruch auf volle Rente
Weil es dabei oft um Minuten Arbeitsfähigkeit geht, gibt es auch noch Sonderregeln. Wer z.B. Anspruch auf eine Teil-EM-Rente hat, also mehr als 3, aber weniger als 6 Stunden pro Tag arbeiten kann, müsste sich eine entsprechende Teilzeit-Stelle suchen. Findet man aber keinen entsprechenden Arbeitsplatz, erhält man trotzdem eine volle Erwerbsminderungs-Rente! Das Sozialgericht Rostock sagt dazu: Ist der Teilzeit-Arbeitsmarkt verschlossen (so die offizielle Formulierung), muss eine volle EM-Rente gezahlt werden. Und zwar ab dem Zeitpunkt, an dem die Rente (also die Teil-EM-Rente) beantragt wurde (Az. S 14 R 218/22).
"Erhebliche rechtliche Probleme bereiten vor allem Anträge auf eine Erwerbsminderungsrente"

Thorsten Bagge
Fachanwalt für Sozialrecht
Das Bundessozialgericht hat darüber gleich mehrfach entschieden. So darf die Rentenkasse nicht auf Teilzeitarbeit verweisen, wenn keine Arbeitsplätze vorhanden sind, die Versicherte mit ihren Kräften und Fähigkeiten ausfüllen können. Und: Als „verschlossen“ gilt der Arbeitsmarkt, wenn die zuständige Arbeitsagentur innerhalb eines Jahres (seit Rentenantrag) nicht einen Arbeitsplatz anbieten kann, der auch täglich von der bisherigen Wohnung erreichbar ist.
Unbedingt Widerspruch einlegen
Weil so viele Anträge auf EM-Renten abgelehnt werden und weil die Entscheidung über diese Renten so individuell sind, sollte niemand die Ablehnung der Rentenversicherung einfach akzeptieren, sondern immer Widerspruch einlegen. Wie das geht und worauf es dabei ankommt, zeigen wir Euch hier (Link)