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Rente

Ost-Löhne wieder höher bewerten?

24.3.2025
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Jürgen Sinn
4 Minuten

Seit dem Jahresbeginn werden Löhne in Ostdeutschland für die Rente nicht mehr höhergewertet. Da die Gehälter im Osten weiter deutlich niedriger sind als im Westen, befürchten Experten eine steigende Altersarmut und fordern die Rückkehr zum gerade abgeschafften System.

Fotomontage: picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer

Zusammenfassung

Trotz gleicher Rentenerhöhungen in Ost und West sinken die Renten in den neuen Bundesländern. Neu bewilligte Renten liegen deutlich unter den bereits ausgezahlten Renten. Der Anteil der Renten, die so niedrig sind, dass der Grundrenten-Zuschlag gezahlt wird, nimmt im Osten zu. Die Gründe sind niedrigere Löhne und wirtschaftliche Verwerfungen nach der Wiedervereinigung. Experten diskutieren Lösungen.

Das ist ein Meilenstein im Rentenrecht, 34 Jahre nach der Deutschen Einheit“, sagte Hubertus Heil noch im Juli 2024, „erstmals steigen in Ost und West die Renten gleichermaßen“, erklärte stolz der Arbeitsminister.

Dennoch ziehen am Renten-Himmel im Osten düstere Wolken auf. Denn neue Analysen zeigen, die Renten in den neuen Bundesländern werden sinken.

32%

niedriger liegen neu bewilligte Regelaltersrenten für Männer im Osten gegenüber den Altersrenten, die schon länger gezahlt werden.

Quelle: Deutsche Rentenversicherung Bund

Das heißt: Schon jetzt liegen neu bewilligte Renten für die meisten Renten-Arten bei Männern und Frauen zum Teil deutlich unter den Renten, die schon länger ausgezahlt werden: bei den Regelaltersrenten für Männer sind neue Renten fast ein Drittel niedriger, bei Frauen fast ein Viertel. (Die konkreten Werte für alle Renten-Arten finden Sie in der aktuellen Ausgabe von Rente & Co.)

Immer mehr Grundrenten-Zuschlag

Und auch der Anteil der Renten, die so niedrig sind, dass der Grundrenten-Zuschlag gezahlt wird, nimmt im Osten zu, während er im Westen abnimmt – so ist inzwischen jede zehnte neu bewilligte Rente einer Frau im Osten so niedrig, dass der Grundrenten-Zuschlag gezahlt werden muss.

Immer mehr Grundrente im Osten

Anteil Rentner mit Grundrenten-Zuschlag

Renten-BestandNeue Renten
Frauen Ost8,6%9,7%
Frauen West6,6%6,4%
Männer Ost5,2%6,1%
Männer West2,1%1,4%

Quelle: Deutsche Rentenversicherung

Und dieses Absinken der Renten im Osten hat mehrere Gründe:

  • Die Höherwertung der Ost-Renten lief mit der Vereinheitlichung des Rentenrechts aus. Das heißt, es gibt in Ost und West überall die gleichen Renten-Erhöhungen (in der Vergangenheit erhielten Rentner im Osten meist höhere Erhöhungen), sondern es gibt auch für gleiche Gehälter gleiche Entgeltpunkte in der Rente. Das Problem: Im Osten sind die Löhne aber im Schnitt 17% niedriger. Heißt: Es gibt weniger Rentenpunkte.
  • Im Osten kommen nun jene Jahrgänge im Osten ins Rentenalter, die besonders von den wirtschaftlichen Verwerfungen nach der Wiedervereinigung betroffen waren, die also ihre einst guten Jobs in der DDR verloren und niedrigere bezahlte Arbeit nach der Einheit annehmen mussten (und so weniger Rentenpunkte erhielten) bzw. die nach der Wende auch länger oder häufiger arbeitslos waren und dadurch weniger Rentenansprüche sammelten.
Quote

"Betrachtet man die Lebensläufe der Menschen im Osten, fällt auf, dass Langzeit-Arbeitslosigkeit als Folge der Wieder-Vereinigung, viel häufiger vorkommt. Und damit niedrigere Renten"

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Johannes Geyer

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Als Fazit stellt Prof. Joachim Ragnatz vom Leipziger Ifo-Institut fest: „Über Jahre haben Beschäftigte im Osten von der Höherwertung bei der Rente profitiert. Das erklärt auch die vergleichsweise guten Renten, die Ältere erhalten. Doch damit ist es jetzt vorbei – und das spüren alle, die jetzt neu oder in den nächsten Jahren in Rente gehen.“ Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ergänzt: „Betrachtet man die Lebensläufe der Menschen im Osten, fällt auf, dass z.B. Langzeit-Arbeitslosigkeit, gerade als Folge der Wieder-Vereinigung, viel häufiger vorkommt – und damit niedrigere Renten.“

Neue Höher-Wertung der Löhne?

Was tun? Schon länger fordern die Wissenschaftler und Politiker wie der Renten-Experte der Linken, Matthias W. Birkwald, „die Höherwertung der Ost-Renten sollte noch einige Jahre weitergehen“. Also wieder ein getrenntes Rentenrecht? „Nein“, sagt Gundula Roßbach, die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, „große Lohn-Unterschiede und damit Renten-Unterschiede gibt es nicht nur zwischen alten und neuen Bundesländern, sondern auch innerhalb Westdeutschlands.“ Und Prof. Joachim Ragnitz ergänzt: „Eine Höherwertung der Ost-Löhne bzw. -Renten würde dann ja westdeutsche Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen benachteiligen.“

Alle Einkommen zählen

Und der Leipziger Renten-Experte gibt noch zu bedenken: „Man muss das Ganze auch im Zusammenhang sehen. Betrachtet man einen Rentner-Haushalt werden solche Unterschiede auch dadurch ausgeglichen, dass die Rentenansprüche von Frauen in Ostdeutschland höher sind wegen der höheren Erwerbsbeteiligung in der DDR. Diese höhere Erwerbsquote bei Frauen in der DDR lindert das Problem, denn im Vergleich zum typischen Rentner-Paar im Westen, wo sie eine deutlich niedrigere Rente hat als er. Das Rentnerpaar Ost – beide haben relativ gleichwertige Renten – steht dann tendenziell besser dar, wenn man auf das gemeinsame Haushaltseinkommen schaut.“ Und es komme ein weiterer Faktor hinzu, so Ragnitz: „Man müsste strenggenommen auch gegenrechnen, dass Mieten im Osten niedriger liegen.“

Handelt die Politik?

Gleichwohl glaubt der Linken-Politiker Matthias W. Birkwald, „dass wir jetzt nach der Bundestagswahl neu über die Höherbewertung der Ost-Renten nachdenken müssen.“