Zusammenfassung
Der Artikel diskutiert die finanziellen Auswirkungen der Pflegebedürftigkeit in Deutschland, insbesondere die hohen Kosten und die Notwendigkeit, Ersparnisse und Immobilien zu nutzen, um diese zu decken. Er betont die Bedeutung des Schonvermögens und die Möglichkeit, eine Immobilie als solches zu schützen, wenn sie von beiden Ehepartnern bewohnt wird. Der Artikel gibt auch Hinweise zur finanziellen Vorsorge und zur rechtzeitigen Beantragung von Sozialleistungen.
Erleichtert drückt Hannelore Ostendorf die Hand ihres Mannes, nachdem die Bedienung beiden ein Stück Kuchen und einen Kaffee gebracht hat. „Wir waren gerade beim Notar“, sagt die 67jährige aus Köln, „undnun ist auch mein Mann zur Hälfte Eigentümer des Hauses, das ich von meinen Eltern geerbt habe und in dem wir seit gut 20 Jahren wohnen“, erzählt die ehemalige Lehrerin, „ich wollte sicher gehen, dass mein Mann auch weiter darin wohnen kann und unser Haus nicht verkauft werden muss, falls ich einmal pflegebedürftig werde“, ergänzt sie, „im Freundeskreis hören wir so viele erschreckende Geschichten. Wer kann solche Summe zahlen?“
Angst vor hohen Pflegekosten
So wie Hannelore Ostendorf geht es vielen. Und das ist kein Wunder: 2.871 Euro betrug zuletzt der durchschnittliche Eigenanteil bei stationärer Pflege - so viel wie noch nie. „Das kann doch kaum jemand aus laufenden Einnahmen finanzieren“, sagt sie, und was ist dann?“ Juristisch ist die Sache sehr eindeutig: Dann muss man an Rücklagen, also Erspartes rangehen; notfalls muss eine Immobilie auch verkauft werden.
Und wenn alle Rücklagen aufgebraucht sind? Dann springt in letzter Konsequenz das Sozialamt ein – mit der Hilfe zur Pflege, einer Sozialleistung, die aktuell über 400.000 Menschen in Deutschland in Anspruch nehmen müssen, die allermeisten, weil sie in einem Heim leben und die Kosten nicht mehr tragen können.
Alles Ersparte aufbrauchen?
Doch die Hilfe vom Staat gibt es nur mit strengen Auflagen. Das heißt, es muss wirklich alles aufgebraucht sein, bis auf das sog. Schonvermögen. Und das bedeutet auch, dass selbst Ehepartner alles einsetzen müssen, sollte der Partner in einem Heim versorgt werden müssen.
Aber, es gibt hier eine wichtige Ausnahme - und die war auch für Hannelore Ostendorf ausschlaggebend: Denn neben einem kleinen Betrag Barvermögen zählt auch eine selbst genutzte Immobilie zum Schonvermögen, wenn der Ehepartner im gemeinsamen Haus wohnt.
Was ist angemessen?
Als Schonvermögen gilt nach §90 SGB XII bei Ehepaaren:
- Ein 90 qm Einfamilienhaus bzw. eine 80 qm Eigentumswohnung
- 20.000 Euro Vermögen
- Sonstige Dinge wie Rücklagen für die eigene Bestattung, Erbstücke sowie persönliche Gegenstände; dazu zählen auch Bücher, Musik-Instrumente, usw.
„Wichtig ist gerade bei Ehepaaren“, sagt Katharina Lorenz vom Sozialverband Deutschland (SoVD), „ein Partner muss nur den Überschuss über den errechneten Bedarf für die Heimkosten des Partners einsetzen. Trotzdem sollte man rechtzeitig den Antrag auf Hilfe zur Pflege stellen und nicht warten, bis alles Barvermögen aufgebraucht ist und sich die Rechnungen des Pflegeheims angesammelt haben.“ Das sei schon deshalb wichtig, weil das Sozialamt immer nur ab Antragstellung hilft, nie aber rückwirkend. Und: Das Sozialamt springt auch nicht automatisch ein, wenn Rechnungen des Pflegeheims nicht mehr bezahlt werden.
Sozialamt prüft Einkommen & Vermögen
Wird ein Antrag auf Pflege gestellt, dann darf das Sozialamt die Einkommensverhältnisse des Ehepartners, aber auch der Kinder (die haben gegenüber ihren Eltern eine Unterhaltspflicht) prüfen. Während aber ein Ehepartner alles (bis auf das Schonvermögen) einsetzen muss, werden Kinder erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro herangezogen, sofern ein Elternteil Pflegekosten in einem Heim nicht mehr bezahlen kann.
Doch wie können Ehepaare sich davor schützen, dass das komplette Ersparte und womöglich das eigene Haus für eine Pflege verwandt werden müssen? „Ganz einfach“, sagt Norbert Müller, „ein Haus können Ehepaare am besten vor dem Zugriff des Sozialamtes schützen, in dem es beiden Partnern gehört und von beiden bewohnt wird“, erklärt der Fachanwalt für Sozialrecht aus Berlin, „und zwar unabhängig davon, ob nur ein Partner oder beide im Grundbuch eingetragen sind.“
"Solange ein Ehepartner noch im gemeinsamen Haus wohnt, ist dies gut vor dem Zugriff des Sozialamts geschützt"

Katharina Lorenz
Sozialverband Deutschland
Gleichwohl bleibt die Größe der Immobilie immer ein heikler Punkt. Denn als Schonvermögen, das nicht für die Pflege eingesetzt werden muss, gilt eine selbst (oder vom Partner bewohnte) Immobilie nur, wenn sie angemessen, also nicht zu groß ist. Wird eine Immobilie als ‚zu groß‘ angesehen, heißt das aber nicht, dass sie komplett aus dem Schonvermögen herausfällt. „Am Ende hängt es immer vom Einzelfall ab“, sagt Katharina Lorenz. Möglich sei z.B. auch, dass dann trotzdem Hilfe zur Pflege gezahlt werde, aber nur als Darlehen, dass sich aber das Sozialamt dann eine Grundschuld im Grundbuch eintragen lasse. Damit sinke zwar der Wert der Immobilie, aber zu Lebzeiten des Pflegebedürftigen bliebe die Eigentums-Verhältnisse unverändert.
5,6 Mio.
Menschen sind aktuell in Deutschland pflegebedürftig. Davon leben aber ‚nur‘ 900.000 in einem Pflegeheim. Und nur 4% aller Pflegebedürftigen haben den höchsten Pflegegrad – und damit die höchsten Pflegekosten.
Wer all dies verhindern will, kann natürlich Erspartes bzw. eine Immobilie auch dadurch schützen, in dem alles oder Teile davon an Kinder (im Zuge eines vorgezogenen Erbes) übertragen werden, während man sich selbst bei der Immobilie ein lebenslanges Wohn- und/oder Nießbrauchsrecht einräumt.
Frühzeitig handeln
Doch auch dieser Weg hat einen Haken - man muss rechtzeitig handeln. Denn eine Schenkung an Kinder kann bis zu 10 Jahre lang auf Betreiben des Sozialamts rückgängig gemacht werden – das gilt sowohl für Geld-Beträge wie für die vollständige Immobilien-Überschreibung.
Möglich ist ferner ein Teilverkauf. Dies kann vor allem dann ein intelligenter Weg sein, wenn die Immobilie den größten Vermögenswert darstellt. Zum einen erhält man Mittel, um die Pflegekosten tatsächlich zu bezahlen, zum anderen verfügt man damit nur noch über Schonvermögen, das im erlaubten Rahmen ist (gerade bei sehr großen Immobilien). Und drittens besteht auch die Möglichkeit, den veräußerten Teil wieder zurückzukaufen, z.B. auch durch die Kinder. Auch dies verhindert, dass eine Immobilie bei einer Pflegebedürftigkeit eingesetzt werden muss – und aus dem Familienbesitz fällt.
Höheres Pflege-Risiko erst über 80
„In meiner Praxis erlebe ich häufig, dass Paare sich unnötig viele Sorgen um ihr Vermögen machen“, erklärt Fachanwalt Norbert Müller, „mögliche Pflegekosten werden oft deutlich überschätzt - und zwar bezogen auf die monatliche Höhe wie auch auf Gesamtbeträge und Dauer.“
Ein Blick auf die tatsächlichen Zahlen bestätigt Norbert Müller:
Die allermeisten Menschen werden gar nicht pflegebedürftig.
Ein hoher Eigenanteil bei stationärer Pflege fällt nur bei einem hohen Pflegegrad an – den aber haben nur die allerwenigsten Pflegebedürftigen.
Ein hoher Eigenanteil fällt zudem vor allem im ersten Pflegejahr in einem Heim an; ab dem zweiten Jahr macht sich der neue Leistungszuschlag bemerkbar, so dass bei längerem Aufenthalt in einem Heim der Eigenanteil sinkt.
Was ist der Leistungszuschlag?
Je nach Länge des Heim-Aufenthalts zahlt die Pflegekasse seit 2022 für Pflegebedürftige (Grade 2 bis 5) zusätzlich einen prozentualen Anteil vom Pflege-Eigenanteil (genauer den pflegebedingten Aufwendungen). Der Leistungszuschlag steigt stufenweise für jedes Jahr: Aufenthalt in einem Heim:
- In den ersten 12 Monaten beträgt der Zuschlag: 15% des pflegebedingten Eigenanteils.
- Mehr als 12 Monate: 30%
- Mehr als 24 Monate: 50%
- Mehr als 36 Monate: 75%.
Die Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten sind stets in voller Höhe durch Bewohner des Pflegeheims zu zahlen
„Hinzu kommt, dass eine Pflege in einem Heim etwa 3 Jahre dauert“, sagt Katharina Lorenz, „wer weitblickend agiert, hat genügend Zeit um finanzielle Vorsorge zu treffen – auch das schützt die eigene Immobilie.“
Hannelore Ostendorf kennt diese Fakten: „Auch wenn wir etwas gespart haben – mir war es wichtig, dass mein Mann auch Mit-Eigentümer ist und wir unser Haus für die Kinder sicherer gemacht haben.“